In der (neuro-)wissenschaftlichen Forschung hat sich in den letzten Jahrzehnten so viel getan, dass ich dem hier nicht mit ein paar Absätzen gerecht werden kann. Ich möchte Ihnen aber zumindest ein paar Highlights aufzeigen.

Es wurden Technologien erfunden, mit denen man dem Gehirn bei der Arbeit zusehen kann, wie z.B. EEG oder fMRI. Damit kartografieren Forscher die Funktionen unterschiedlicher Hirnregionen zu immer größerem Detailgrad und inzwischen können wir sagen, dass bestimmte Erfahrungen mit bestimmter elektromagnetischer und metabolischer Aktivität in bestimmten Teilen des Gehirns korrelieren. Die Forschungslage deutet darauf hin, dass für jede Erfahrung, die wir machen, etwas Zugehöriges im Gehirn geschieht und umgekehrt.

Viele Funktionen scheinen im Gehirn lateralisiert zu sein. Das heißt, sie werden ausschließlich oder zumindest hauptsächlich mit einer der beiden Gehirnhälften durchgeführt. Dass die linke Gehirnhälfte rational und die rechte emotional wäre, ist aber ein Mythos. Dieser basiert vermutlich auf der Erkenntnis der frühen Neurowissenschaft, dass die linke Gehirnhälfte bei den meisten Menschen das Sprachzentrum enthält, während die rechte sich nicht sprachlich ausdrücken kann. [1] Inzwischen weiß man, dass beide Gehirnhälften sowohl zum rationalen Denken als auch zum Emotionserleben wesentlich beitragen. Zum rationalen Denken scheint die linke Gehirnhälfte z.B. das logische Schlussfolgern beizusteuern, während die rechte sich um kritisches Hinterfragen (Fact-Checking) kümmert. [2] Bezüglich der Emotionen scheint die linke Gehirnhälfte mehr an altruistischen, akzeptierenden und gelassenen Emotionen beteiligt zu sein, wohingegen die rechte durch egoistische, ablehnende und leidenschaftliche Emotionen auffällt. [3]

Es scheint verschiedene Gehirnregionen zu geben, deren Aktivität sich gegenseitig ausschließt. Wenn also eine bestimmte Menge Hirnregionen gemeinsam aktiv wird (ein sogenanntes funktionales Netzwerk), gibt es manchmal eine bestimmte andere Menge, die für diese Zeit ihre Aktivität zurückschraubt. Ein Beispiel dafür ist der Unterschied zwischen Tätigkeiten, die unsere volle Aufmerksamkeit verlangen und Tätigkeiten, bei denen wir in Gedanken abschweifen. Das Abschweifen geschieht durch die Aktivierung von Hirnregionen, die auch für das Denken in persönlichen Geschichten zuständig sind (häufig als "Standardmodusnetzwerk" bezeichnet). [4,5]

Entgegen früherer Annahmen wissen wir inzwischen, dass das Gehirn sich auch im Erwachsenenalter noch verändert. Jede Erfahrung, die wir machen, zieht Veränderungen im Gehirn nach sich. Das nennt sich "Neuroplastizität". Alles, was wir tun und erleben, verändert auch unser Gehirn und diese Veränderungen wirken sich darauf aus, was wir zukünftig erleben. So bestätigt uns also die moderne Hirnforschung, dass unglückliche Menschen nicht zwangsläufig unglücklich bleiben müssen, wenn sie ihren Geist/Gehirn entsprechend trainieren.

Ein Zusammenhang ist im Bezug auf das Glück besonders interessant. Es scheint eine Feedbackschleife zu geben, also einen Kreislauf, der sich selbst aufrechterhält und verstärkt, zwischen negativen Emotionen und selbstbezogenem, persönlichen Denken. Das macht Sinn: Wenn es uns nicht gut geht, denken wir darüber nach, was wir tun könnten, um unsere Situation zu verbessern. Wenn wir dabei auf Probleme stoßen, gibt es neue negative Emotionen und wir sind noch unglücklicher. Im Gehirn handelt es sich dabei um Teile der rechts-lateralen Insula (auch Inselkortex genannt), die Signale mit ebenso rechts-lateralen Teile des Standardmodusnetzwerkes austauschen. Dort hat man z.B. in bestimmten "Hotspots" der Informationsverarbeitung bei depressiven Menschen verstärkte Hirnaktivität gefunden und eine Depression ist so ziemlich das Gegenteil vom Glücklichsein. [6]

Der spirituelle Weg, den ich unterrichte, besteht im Prinzip aus Übungen, mit denen man das Gehirn trainiert. Es ist auffällig, wie all diese Übungen weg von egoistischen Emotionen und persönlichen Gedanken führen. Darüber, was genau dabei im Gehirn geschieht, gibt es viele Studien, viele Spekulationen und derzeit noch viel Uneinigkeit. Als gesichert gilt, dass Konzentrationsübungen wie Meditation weite Teile des Standardmodusnetzwerkes deaktivieren und stattdessen Regionen aktivieren und stärken, die mit der Aufmerksamkeit und anderen sogenannten "Exekutivfunktionen" zusammenhängen. [7] Wer oft meditiert und alles möglichst bewusst tut, denkt weniger in Erzählungen und erlebt die Welt daher sozusagen "direkter". [8] Dies bricht auch die beschriebene Feedbackschleife des Unglücklichseins und ist vermutlich die Ursache dafür, dass entsprechende Übungen (meist unter dem Begriff der Achtsamkeit) zunehmend als gesundheitsfördernde Maßnahmen entdeckt und praktiziert werden. [9]

Quellenverzeichnis